Grenzerfahrungen machen Angst. Und umgekehrt ist Angst meist mit dem Versagen oder gar dem Verlust orientierender und haltender Grenzen verbunden; sie droht dann in (Er-) Schrecken umzuschlagen. Der Vortrag soll zwei extremen Formen solch ängstigenden Grenzverlustes nachgehen: dem Outburst und der Transgression
. Der Begriff
Outburst bezeichnet Erscheinungen, in denen etwas aus dem psychischen Innenraum zerstörerisch in die soziale Welt einbricht bzw. explodiert, etwas, was zuvor verborgen war und was im Ausbrechen das subjektive Gefühl von Sicherheit wie auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt stört oder gar zerstört. Der Begriff
Transgression bezieht sich hingegen auf Versuche, eine Zerstörung oder ein Erstarren kulturell begrenzter bzw. normierter Angst im Hinblick auf die von Roger Money-Kyrle sogenannten
Facts of Life zu verhindern, indem Grenzen absichtsvoll missachtet, überschritten oder verschoben werden. Beide Begriffe balancieren somit auf der Grenze von innerpsychischen Affektdynamiken und kollektiven Prozessen missglückter bzw. gelungener Symbolisierung. Während Outburst ein gewaltsames Aufsprengen der Subjektgrenzen und einen zerstörerischen Angriff auf die Objektbeziehungen markiert, also jenen Ort, an dem die Unfähigkeit Angst in Grenzen zu halten in Zerstörung, Desymbolisierung und Schrecken umschlägt, bezeichnet Transgression eine in sich widersprüchliche Bewegung, die neben zerstörerischen auch konstruktive, kreative und objekterhaltende Potentiale enthält. Die machen es möglich, in Veränderung und unter Bedrohung Angst zu halten und ihre Bedeutung zu verändern. Mit Hilfe von begrifflichen Rekonstruktionen und Bildern sowie anhand klinischer Beispiele (inhaftierte Mörder, Selbstmordattentäter, Amokläufer etc.) möchte ich Grenzerfahrungen von Angst und Schrecken beschreiben und ihre Psychodynamik im Spannungsfeld von Grenzerweiterung und Zerstörung von Grenzen zu verstehen suchen.
Angelika EBRECHT-LAERMANN, Prof.in Dr.inphil. Dipl.-Psych.; Psychologische Psychotherapeutin/Psychoanalytikerin DPV, IPA, DGPT, Supervisorin am BPI; Germanistin, promovierte Psychologin und habilitierte Politikwissenschaftlerin; ehemals: WiMi am FB Psychologie und Wiss. Ass. am FB Politikwissenschaft der FU Berlin, Professorin für Psychologie an der Evangelischen Fachhochschule Berlin sowie Vertretungsprofessorin für Sozialisationsforschung und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität Frankfurt; Gutachterin, Beraterin und Moderatorin in der Verkehrspsychologie; derzeit: Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin in eigener Praxis, externe Psychotherapeutin im Berliner Strafvollzug, sachverständige Gutachterin beim Landgericht Berlin (zur Prognose bei vorzeitiger Entlassung) und Mitarbeiterin im Modellprojekt Diagnostisch-therapeutisches Netzwerk Extremismus DNE. Mitherausgeberin des Jahrbuchs der Psychoanalyse und Mitglied im Editorial Board des International Journal of Psychoanalysis.
Ausgewählte Veröffentlichungen:
- Ebrecht-Laermann, Angelika (2017): „Ich lüge nie.“ – „Ich lüge immer.“ Paradoxales Lügen als psychotische Perversion des Denkens und der Objektbeziehungen. In: Jahrbuch der Psychoanalyse 74. Stuttgart – Bad Cannstatt: frommann-holzboog, S. 131–152.
- Ebrecht-Laermann, Angelika / Bialluch, Christoph / Sischka, Kerstin (2017): Analyse im Extrem – Transgressive Dynamiken in der Arbeit mit Menschen aus rechtsextremen und salafistischen Milieus. (erscheint im Sammelband der DGPT-Tagung Grenzen)
- Ebrecht-Laermann, Angelika (2014): Angst. Reihe Analyse der Psyche und Psychotherapie. Gießen: Psychosozial-Verlag.
- Ebrecht-Laermann, Angelika (2013): Pathologische Eifersucht. Zur Psychodynamik perverser Triangulierung am Beispiel von Catherine Millet. In: Psyche – Zeitschrift für Psychoanalyse 67, S. 556–576.